Spreewaldlegenden

Legenden und Sagen gibt es wohl in jeder Region. Meist wurden Sie über Generationen mündlich überliefert und haben zumeist eine konkrete Örtlichkeit, eine genaue Zeit, identifizierbare Personen und ein Ereignis, welches meist für die damalige Zeit nicht erklärbar war und auf übernatürliche Wesen zurückgeführt wurde. An einer Sage ist somit immer etwas wahrscheinlich Wahres enthalten. Im Gegensatz zum Märchen, wo die Orte (z.B. am Brunnen, im Wald, auf der Burg) und Zeiten (Es war einmal ...) nur allgemein gehalten werden. Auch die Personen sind nur allgemein gehalten (z.B. Müllersohn, König, Stiefmutter). Dennoch wird auch in den Sagen die Wirklichkeit der Ereignisse deutlich übersteigert. Aber durch die damit verbundenen Personen- und Ortsangaben entsteht der Eindruck eines Wahrheitsberichtes. Die Verfasser dieser Sagen sind in der Regel unbekannt. Jedoch gibt es Sammler und Herausgeber, die diese mündlich überlieferten Sagen für uns aufbereitet haben. Bekannt ist, dass bereits Homer 1200 vor Christus (also vor über 3000 Jahren!) solche Sagen wie "Illias" oder "Odyssee" aufgeschrieben hat. Sie wurden durch Überlieferung auch in andere Kulturen getragen und übernommen. Man nennt diese Sagen Wandersagen. Ähnliche Ereignisse, werden also in einen anderen spezifizierten Kontext gesetzt.

 

Der Spreewald wurde nach der Völkerwanderung ca. ab dem Jahre 600 von Slawen  besiedelt. Sie rückten ca. einhundert Jahre nach der Westwanderung der germanischen Völker auf deren Gebiete vor, die nunmehr wieder völlig bewaldet waren. Während sich im heutigen Sachsen der Stamm der Milzener ansiedelte, siedelten sich im Unterlauf der Spree die Sprewaner, im Bereich der Havel die Heveller und im Urstromtal der Spree die Lusitzer an. Nach ihnen wurde dann die Landschaft zwischen Lübben und Bautzen benannt. Natürlich ist, dass sie ihre eigenen slawischen Sagen und heidnischen Gottheiten mitbrachten. In der deutschen Ostexpansion gegen die Slawen unter Gero wurde die Christianisierung der slawischen Stämme betrieben. Die Götter verschwanden langsam, die Sagengestalten blieben. Insbesondere im Spreewald, mit seinem Überfluss an Wasser, waren solche Wesen wie der Wassermann mit seinen Töchtern den Nixen,  der Schlangenkönig, das Irrlicht, der Wichor und viele andere nutzbringend, um sich bestimmte Vorgänge in der Natur zu erklären.

 

Wendenvolk, wie ist dein

Reichtum dir

am wenigsten bewußt!

    Du verschmähst des Liedes  Brauchtum –

   fremden Gaste ist es Lust ...

 Serbstwo! Ty sy tak bogate,

a ty samo to njewěš!

 

Cyzym su te štucki znate,

 

kenž ty samo njocoš měś...

 


             Juro Surowin (1831-1904)

Wie der Spreelauf entstand (Kak cart jo spreiwju woral)

Zunächst ist die einzigartige Landschaft der Spreewaldes in den Augen der Slawen etwas gewesen, was nur fremde Wesen geschaffen haben können. Man kann sich streiten, ob der Spreewald nun aus geologischer Sicht in der Entstehung nun der Eiszeit zugeordnet wird. Wir haben ja alle im Unterricht von der Endmoränenlandschaft und dem Urstromtal gehört. Ob dies richtig war? Ich - für meinen Teil - mag die sagenhafte Alternative der Entstehung des Spreewaldes. An dieser Sage wird deutlich, dass diese Sage nach der Christianisierung entstanden ist, denn einen Teufel gab es als Figur in der Vorstellungswelt der Sorben und Wenden nicht.

Die Melodie habe ich dem sehr alten englischen traditionellen Volkslied „The streams of loveley Nancy“ (Die Ströme des lieblichen Flusses Nancy) entlehnt. Die erste Strophe habe ich in der Nachdichtung noch einigermaßen im Inhalt auf den Spreewald übertragen können. Die anderen originalen Strophen ergeben - selbst für englische Muttersprachler - kaum einen Sinn. Selbst einen Fluss Namens Nancy wird man in England vergeblich suchen.

Die in dem Lied besungenen Auerochsen (Bos primigenius) sind in ihrer Wildform im Jahr 1627 ausgestorben. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts wurden die allerletzten Exemplare im Wald von Jaktorow, 55 Kilometer südwestlich von Warschau unter den

Schutz des Landesherrn gestellt und gehegt. Otto Antoniua wertete die vorhandenen Protokolle aus. Demnach zählte man 1564 acht alte und drei junge Stiere sowie 22 Kühe und fünf Kälber. 1599 waren noch 24 Exemplare vorhanden, 1602 aber nur noch vier. 1620 war noch eine einzige Kuh übrig, die 1627 starb. Diese letzte Auerochsen-Kuh wurde nicht gewildert, wie oft behauptet, sondern starb wahrscheinlich eines natürlichen Todes.
Exemplare einer „Rückzüchtung“ bzw. „Abbildzüchtung“ leben heute wieder in der Spreeaue zwischen Dissen und Striesow.

Die Gemeinde befindet sich nördlich von Cottbus und Striesow hatte dieser Tage seinen 550. Jahrestag.  Das Lied ist sozusagen eine Homage an mein Nachbardorf. In dem Dorf Dissen – auch als „Storchendorf“ bekannt - befindet sich auch ein sorbisch-wendisches Museum und der Nachbau eines alten slawischen Dorfes – stary lud – in welchem die Geschichte der Slawen zur Zeit des Frühmittelalter erlebbar gestaltet wird. Es ist genau der Ort, in der Dissener Aue, an welchem der Teufel laut Sage begann zu pflügen. Dort in der Aue steht auch die im Video zu sehende Holzskulptur vom Cottbuser Künstler Hans-Georg Wagner. Von dort ist Peitz wirklich nur knapp 6 Kilometer entfernt und dort befindet sich auch der Teufelsteich.

Wie der Teufel den Spreelauf schuf

(Musik : engl. trad./ Text: Folkskammer)


Die Wasser im Spreewald, fließen kreuz und auch quer
Wo die Jungen und Mädchen sich geben die Ehr
Sie singen und tanzen, trinken Kräuterlikör,
wo die Fließe sich treffen – ihre Stimmen ich hör.

Die Fließe im Spreewald, fließen kreuz und auch quer
Eine Sage erzählt uns - es ist schon lange her –
was geschehn´ ist vor Zeiten im Lausitzer Land-
So will ich nun berichten, wie der Spreelauf entstand

Gleich bei Dissen und Striesow die Spreeaue liegt
und der Teufel mit Rindern die Erde wohl pflügt.
Es waren große Ochsen – nach der Aue benannt
und der Pflug teilt die Schollen von fruchtbarem Land.

Die Ochsen waren müde, das Joch drückte hart
Doch der Teufel hat es eilig und in seiner Art,
flucht er lauthals und böse und zertrat seinen Hut,
zog die Peitsche und schlug auf die Tiere voll Wut.

Nun die Ochsen traten kräftig – drei Meilen flog er gleich,
durch die Luft zur Peitzer Festung in den großen Fischerteich.
Große Blasen macht das Wasser, er ging unter und verschwand.
Teufelsteich wird seit damals jenes Wasser genannt.

Doch die Ochsen liefen weiter, liefen schneller - gingen durch,
zogen mit dem Pflug im Schlepptau gar manche tiefe Furch´.
Mal nach Osten oder Norden – kreuz und quer ging die Tour
bis nach Lübben zum Schlosse - dies Gespann eilig fuhr.

Und die Gräben, die sie zogen füllt die Spree bald bis zum Rand
So entstand nach kurzer Dauer dies Spreewälder Land
mit Lagunen und Inseln zwischen Fließen so schön,
und mit Kähnen kann man fahren und auch über Brücken geh´n.

Die Wasser im Spreewald, fließen kreuz und auch quer
Da geben sich Jungen und Mädchen die Ehr
Sie singen und tanzen, trinken Kräuterlikör
Wo die Fließe sich treffen – ihre Stimmen ich hör.



Der Plon nimmt Abschied  (Plon se rozžognuja)

Hier habe ich diesmal die Sage vom Spreewälder Plon - einer Art Hausdrachen - im Rahmen der Serie "Spreewaldlegenden" musikalisch umgesetzt. Es ist schon erstaunlich, warum es im 16. Jahrhundert eine Namenswandlung des Ortes vom sorbischen Hochoza (Weg um ein zu rodendes Waldstück) zur deutschen Dorfbezeichnung Drachhausen gab. Was ist da wohl passiert?  Nun ja - die Familie Bagola ist schon eine Weile in dem Ort aktenkundig. Selbst Jurij Koch - ein bekannter sorbischer Schriftsteller - hat eine Geschichte über die Bagola´s geschrieben: "Der Wilddieb Bagola" (sorb. "Jagar Bagola").

Die Quelle der Sage:
"Der Plon hatte einem Bauer viel Geld herbeigeschafft und der Bauer wollte ihn gern wieder loswerden. Dazu hing er an einen Balken in der Scheune einen Strumpf auf, schnitt unten den »Fuss« weg und sagte zum Plon: »Perej njekrynjoš nic jěsć, až budžoś tu strumpu pełnu penjez nanosić, eher kriegst nichts zu essen, als bis Du den Strumpf voll Geld wirst tragen«. Weil aber das Ende fehlte, wurde der Strumpf nie voll und der Plon »musste« vor Hunger »weg«" Schulenburg, Willibald von: Wendisches Volksthum in Sage, Brauch und Sitte. Berlin: Nicolai, 1882, S. 50-51


Bei dieser Aufnahme (Probenaufnahme) hatte ich Unterstützung von der Northtown Skiffle Group Cottbus-Sielow. Die Melodie ist von Peter Yarrow. Im Jahr 1965 war der Originalsong "Puff, the magic Dragon" der Hit von der Folkband Peter, Paul and Mary. Ich fand die Melodie ziemlich passend zu meinem Text:

Der Plon nimmt Abschied

(Musik: Peter Yarrow/ Text: Folkskammer)

 

Plon, der kleine Drache  lebte an der Spree
in feuchten Nebelwäldern in ´ner Höhle an ´nem See
Plon, der kleine Drache liebte auch der Menschen Haus
Er flog hinein durch´s Dache und auch wieder hinaus. 

Die Geschichte ist viel älter, als dieses Liedchen hier.
Kito Bagola war arm und hatte Kinder vier.
Die hatten abends Hunger und hatten keine Kraft.
Da kochte Kito Hirsebrei mit süßem Sirupsaft.
Das roch der kleine Drache und kam ganz schnell herbei,
denn seine Lieblingsspeise war süßer Hirsebrei.

Plon, der kleine Drache  lebte an der Spree
in feuchten Nebelwäldern in ´ner Höhle an ´nem See
Plon, der kleine Drache liebte auch der Menschen Haus
Er flog hinein durch´s Dache und auch wieder hinaus.

Und Plon versprach dem Kito zu zahlen jeden Preis,
wenn er nur essen dürfte, tagtäglich diese Speis´.
Der Kito war recht helle und hatte einen Plan --
schnitt von dem Schuh die Sohle ab - hing ihn am Balken an.
Dann sagt er zu dem Drachen:„Nun wie du es gewollt -
füll den Schuh bis an den Rand mit Silber und mit Gold."

Plon, der kleine Drache  lebte an der Spree  
in feuchten Nebelwäldern in ´ner Höhle an ´nem See
Plon, der kleine Drache liebte auch der Menschen Haus
Er flog hinein durch´s Dache und auch wieder hinaus.

So kam der Plon fast täglich -- mit Münzen schön und toll
tat sie in den Schuh hinein -- doch der wurde nicht voll.
Sie fielen in ein Säcklein, das unterm Balken stand
Dies wurde täglich voller - von Gold fast bis zum Rand.
Als Plon die List bemerkte, ward traurig er und weiß,
dass nie süßer Hirsebrei, sein wird seine Speis.

Plon, der kleine Drache  lebte an der Spree
in feuchten Nebelwäldern in ´ner Höhle an ´nem See 
Plon, der kleine Drache - mied seit dem der Menschen Haus
Er zog sich in sein Loch zurück und kam nie mehr heraus.

Plon, der kleine Drache lebte an der Spree 
in feuchten Nebelwäldern in ´ner Höhle an ´nem See
Plon, der kleine Drache  ist hier überall bekannt
So wird das Dorf, wo das geschah Drachhausen nun genannt.



Der grobe Bauer und das Irrlicht (Gropny bur a Błudnik)

Und noch eine wendisch -sorbische Sage in Balladenform aus der Reihe : "Spreewaldlegenden", welche wie immer aus eigener Feder stammt. Die Irrlichter oder Irrwische treten insbesondere in den Legenden und Sagen der Gebiete auf, die meist sumpfige Landschaften haben. Es sind Lichterscheinungen, die vermutlich durch das Brechen von Licht und feine Wasserpartikel transportiert werden, Bioluminiszenzen von Pflanzen oder Tieren (Glühwürmchen) oder durch Selbstenzündung von Faulgasen  - Methan oder Monophospha mit Sauerstoff - im Moor/Sumpf entstehen - jedenfalls beim Anblick ziemlich mystisch wirken. Logisch, dass daraus Phantasien bei den Menschen dieser Regionen angeregt wurden. Im Sorbischen heißt dieses Irrlicht - "Błudnik" oder "Bludźisch". Die nachfolgende Ballade entspringt ebenfalls einer alten sorbisch-wendischen Sage:

"Mal leuchtete ein Bludźisch am Teiche und ein Mann sah ihn Nachts um zwölf leuchten und rief ihn: »Komm' her, ich werde Dir einen Dreier geben«. Dann kam das Irrlicht und hat ihn bis an den Hof geleuchtet. Aber der Bauer hat ihm nicht den Dreier gegeben, sondern sagte ihm: »Wenn es nicht ein Dreier ist, so gilt auch ein Knüppel, [gilt nicht der Dreier, gilt der Knüppel]«."
Quelle: Schulenburg, Willibald von: Wendisches Volksthum in Sage, Brauch und Sitte. Berlin: Nicolai, 1882, S. 52.

Rings um Burg (Spreewald) - einem Kurort nahe Cottbus - findet man diese sumpfigen Landschaften noch reichlich. Wer dort insbesondere im nebeligen Herbst einen Spaziergang macht, kann sich schön in das Lied hineinversetzen. Burg wird in diesem Jahr (2015) 700 Jahre alt - dieses Lied sozusagen als Geburtstagsgeschenk.

Der grobe Bauer und das Irrlicht

(Musik und Text: Folkskammer)

 

In den Sümpfen von Burg ging einst ein Bauer,
der hatte den rechten Weg verlor´n.
Des nachts aus der Schänke nach Hause er wollt,
durchs Dickicht schlägt er sich voll Zorn.
Da sah er in der Ferne ein Licht
und meinte es  wäre sein Heim.
Doch sein Häuschen war es nicht -
es war des Irrlichtes Schein.

Das Irrlicht war freundlich und bot ihm an
nach Hause ihn zu führ´n.
Jedoch nicht umsonst, sondern für ein Stück Geld
sollte dieses passier´n.
Der Bauer ging auf den Vorschlag ein,
doch hätte er kein Geld dabei.
Man einigte sich zu zahlen den Preis,
wenn er wieder zu Hause sei.

Das Irrlicht tanzte und hüpfte vor ihm
und zeigte den Weg ihm nach Haus.
Kaum war er dort, schloss er sich ein,
und lachte das Lichtlein aus.
Er wähnte sich schon außer Gefahr,
denn im Haus hat das Licht keine Macht.
Zog die Schlafmütze auf und ging zu Bett
wollte schlafen die restliche Nacht.

Jedoch nach kurzer Zeit hörte er
sein Fohlen ums Hause ziehn;.
das Trappeln und Wiehern des jungen Pferds -
in den Wald zu laufen es schien.
Der Bauer sprang auf und lief ihm -
über Wurzeln und Steine nach;
stolperte und er fiel in den Schlamm
und das Dornendickicht ihn stach.

Es ward schon hell als er in der Früh
den Hof endlich wieder geseh´ n -
sein Fohlen jedoch im Stalle stand,
als wäre nichts weiter gescheh´ n.
So merkt nun ihr Leut, euch die Geschicht´
vom Irrlicht und diesem Mann.
Und wenn ihr einen Kontrakt eingeht,
so haltet euch besser daran.



Bittgesang an den Schlangenkönig (Wužowy kral)

Über den Schlangenkönig gibt es viele Legenden im Spreewald. Oft auch verbunden mit der Adelsfamilie Lynar aus Lübbenau - die den Schlangenkönig in ihrem Familienwappen trägt. Auch die typischen Windbretter an den Häusern im Spreewald entspringen dieser Sage. Hier also ein selbst geschriebenes Lied vom Schlangenkönig aus der Reihe "Spreewaldlegenden" sozusagen open air. So romatisch es doch wirkt, es waren bestimmt zehn Anläufe für die Aufnahme - mal kräht ein Hahn, mal fährt ein Trecker vorbei und dann noch verspielt .... Am Ende sieht man, dass ich erleichtert war :-)
Viel Spaß beim Reinhören.

Bittgesang an der Schlangenkönig

(Musik und Text: Folksammer)

Vorwort

 

Einst, so sagt die Spreewaldsage,
waren Schlangen eine Plage.
Und die Menschen jagten diese
weg vom Haus bis auf die Wiese.
Doch ein Mädchen stellt vor´s Haus
eine Schale Milch hinaus.
Und bald kam der Schlangenkönig
jede Nacht und trank ein wenig.
Und er erwies dem Mädchen Dank
für diesen wunderbaren Trank.
So ward das Haus bei Tag und Nacht
durch ihn vor Ungemach bewacht.
Und seit dem gilt im Spreewald hier
die Schlange als des Daches Zier.

Bittgesang

 

Feuer, Wasser dienen gut,
jeder nutzt es gern.
Doch sei ständig auf der Hut,
sie sind schlechte Herrn.

Refrain:

Eine Schlange mit ´ner Krone
schützt das Haus in dem ich wohne
auf dem Dach aus Holz und Ried,
dass kein Unheil uns geschieht.

Gegen Blitz, Sturm, Donnerschlage,
Krieg und Plünderei
schützt, so sagt die alte Sage
so ein Dachgeweih.

Weise Elend ab und Not
von der Wenden Haus
und auch Krankheit oder Tod,
Wanze oder Laus.

Durst und Hunger sei uns fremd,
´nen Taler stets im Schrank
und am Leib ein frisches Hemd
Wužowy kral -  hab Dank.



Die Mittagsfrau in Müschen (Pśezpołdnica w Myšynje)

Diese Ballade ist eine Reminiszenz an das Heimatdorf meiner Mutter zu seinem 600. Jahrestag. Ich habe es selbst komponiert und getextet. Dabei habe ich die sorbisch-wendische Sage der Mittagsfrau (Pśezpołdnica) aufgegriffen. Auch in anderen slawischen Völkern und Sprachen gibt es diese Sage (z.B. Pripoldnica im Obersorbischen, Poludnica im Polnischen, Polednice im Tchechischen oder Полудница (Poludnitsa) im Russischen). Die Sage erzählt: Wenn die Mädchen früher im Sommer bei großer Hitze auf dem Feld arbeiteten, konnte es passieren, dass sie einen Hitzschlag erlitten. Entweder sie fielen tot um oder phantasierten meist von dem, was sie den ganzen Tag beschäftigte - also der Arbeit auf dem Lande. 

 

Die Quelle der Sage: "Die pŕezpołnica hatte den serp (Sichel) in der Hand, und sagte, wenn jemand mittags auf dem Felde war: »Serp a šyju, Sichel und Hals«. Und wer nicht eine Stunde lang erzählen konnte, dem hat sie den Kopf abgehauen." Schulenburg, Willibald von: Wendisches Volksthum in Sage, Brauch und Sitte. Berlin: Nicolai, 1882,
Übrigens: In Müschen gibt es noch immer mehrere Einwohner mit dem Familiennamen Budischin* (Bautzen) und mein Urgroßvater war der Gutsgärtner Christian (Kito) Budischin ;-) Die sorbisch-wendischen Begriffe starka* und wuropach* heißen übersetzt Großmutter und stattlicher Junge.


Die Mittagsfrau in Müschen 

(Musik und Text: Folkskammer)

 

Vorwort


In der Mittagszeit von zwölfe bis eins
Da kommt sie drohend ums Haus.
Den Mädchen, die nicht ruhen, macht sie den Garaus,
mit der Sichel - verschonet wird keins.
Jedoch wem´s geläng, so lang zu erzähl´n
Von Arbeiten auf dem Land
bis das Stundenglas wär im Kopf ohne Sand --
der könnt einen Wunsch sich erwähl´n.

 

Gesang


Die hübsche Božena war grad 16 Jahre --
ein Mädchen sehr fleißig und überdies schlau.
Die Sonne schien auf ihre blonden Haare,
heiß war es und trocken - der Himmel so blau.


Sie wohnte in Myšyn und war auf dem Felde,
ganz in der Nähe im Wotschower Grund.
Ein Wirbelwind ging am Rain durch die Melde,
als die Glocke läutete zur Mittagsstund.


Aus dem Wirbel entstand eine hässliche Alte
mit weißem Nebel als graus´ ges Gewand
und ein hämisches Lachen im Feld nun erhallte
und die Sichel blinkt in Pśezpołdnicas Hand.


Božena blieb mutig und überlegte am Rande,
was ihre Mutter ihr dereinst gesagt
und was sie gelernt hatte, auf dem Lande
und was sie bei starka* noch hat erfragt.


Und so erzählt sie von der Auswahl des Bodens,
im Herbst, wenn die Bäume abwerfen das Laub.
Vom ersten Pflügen und den Mühen des Rodens,
von Unkraut und Steinen im ländlichen Staub.


Im Frühjahr das Glätten mit eisernem Rechen
und der Leinsamen wird ausgesät mit der Hand,
mit dem Fuß eingetreten auf diesen Flächen,
die begrenzt sind durch Spreefließe am Feldesrand.


Auch dann ist das Feld noch weiter zu pflegen;
Unkraut gejätet wird einmal die Woch´.
Nach Sonnenschein und ausreichend Regen,
ein Meer blauer Blüten - wie himmlisch es roch.


Geerntet wird, wenn braun sind die Köpfchen
und an der Pflanze glänzet morgens der Tau.
Dann stellt man daraus kleine Hocken und Zöpfchen,
zum Trocknen in Lüften, so mild und so lau.


Durch den eisernen Kamm wird der Strunk nun gezogen.
Die Kapseln mit Samen fall´n zu Boden ganz sacht.
Dann wird drauf gedroschen, gesiebt und gewogen --
in Säcke gefüllt und zur Mühle gebracht.


Dort werden die Samen gepresst und gerieben
im Radwerk der Ölmühle mit Wasserkraft.
Für die Rinder ist Ölkuchen übriggeblieben --
für die Bauern der leuchtende, goldgelbe Saft.


Erzähl´n könnt sie noch vom Brechen des Flachses
vom Dörren, Hecheln und Haspeln bei Nacht
und wie in der Spinnstube im Lichte des Wachses
im Winter draus wird weißes Linnen gemacht.


Doch schon längst war das Lachen Pśezpołdnica vergangen.
und eine Stunde noch obendrein,
als Božena beendet - den Vortrag - den langen,
ein Wunsch sollte nunmehr ihr freigestellt sein.


Sie wünschte sich, dass der holde wuropach*,
der letztes Jahr kam aus Budyšyn*,
sie küsste, drückte und auch umarmte -- ach
sein Name war Jan und sie liebte ihn.


Ein Vierteljahr später war´n sie zusammen.
Das war der Geschichte glücklicher Rest.
Seine Herkunft wurde zum gemeinsamen Namen.
Das ganze Dorf kam zum Hochzeitsfest.


Ach -- nein man wird fragen, was ist mit der alten,
hässlichen, bösen Pśezpołdnica gescheh´n.
Sie soll sich noch zeigen in verschiedn´en Gestalten-
in Myšyn jedoch, ward sie nie mehr geseh´n.


* starka - niedersorbisch für Großmutter

* wuropach - obersorbisch für stattlicher Bursche

* Budyšyn - gesprochen Budischin (Stadt Bautzen, sorbisches Zentrum in der Oberlausitz)


Leuchtende Nymph (swesata nyksa)

Ich habe die schönen Gemälde von John William Waterhouse und die Melodie aus Fredmans Briefen Nr. 72 (Glimmande Nymf) von Carl Michael Bellmann - einem schwedischen Liedermacher des Barocks - zusammengeführt und in meine Heimat - den sagenhaften Spreewald - versetzt. Also ein Lied aus der Reihe "Spreewaldlegenden".

Nixen oder Nymphen gehören seit jeher zu den Sagengestalten des Spreewaldes. Es sind die Töchter des Nix - auch genannt der Wassermann :
"Im Spreewald, Drachhausen, Bohsdorf u.a.O. nyks ansonsten nykus, hodernykus, hadernyks, woderniks, wodny muž .... Die Nixe waren wie kleine Kinder, immer roth angekleidet, mit grünen Mützen."  W. von Schulenburg, Wendisches Volksthum in Sage und Sitte, Berlin, Nicolei 1882.


Im Gegensatz zu seinen Töchtern, ein ziemlich hässliches grünes Wesen. Auch der Charakter, wie bei anderen Wassermännern anderer Kulturen eher boshaft bis tödlich.  Die Töchter (weibliche Form nyksa) jedoch entsprechen in der slawischen Sagenwelt eher der Symbolik der Fruchtbarkeit, Liebe und Sexualität - also eher den Najaden (Wassernymphen der greichischen Mythologie, nymphe = heiratsfähiges Mädchen).
Wie gesagt, die Melodie ist von Bellmann, das Gemälde von Waterhouse und der deutsche Text von mir:

Leuchtende Nymph

(Musik: Carl Michael Bellmann Text: Folkskammer)

Leuchtende Nymph´ und deine Schwestern
zum ersten mal bemerkte ich euch gestern
am Spreewaldfließe
und ich genieße
diesen Anblick jetzt im Dämmerschein --
wünscht´ ich könnte bei dir sein.
Jedoch müsst´ ich zu euch ins Wasser steigen
den Tanz zu wagen mit in eurem Reigen
zwischen Seerosen
und deine losen
Haare zu berühr´n - die mich verführ´n.
Haare zu berühr´n - die mich verführ´n.

Ich kam hierher,  Wasser zu holen
und nun schau´n meine Augen ganz verstohlen
auf zarte Brüste
und solch´ Gelüste
plagen mich zur lauen Abendzeit
bist mir so nah und doch so weit.
Ich hör´ das Wispern eurer süßen Stimmen
nur sollt ihr wissen, ich lernt´ nie das Schwimmen
braucht nicht zu winken -
ich würd´ ertrinken.
So bleib ich allhier -- kann nicht zu Dir.
So bleib ich allhier -- kann nicht zu Dir.

Vielleicht kannst du dich überwinden
mit deinem Leib dem Wasser zu entschwinden
und ohne Sorgen
bis in den Morgen
die lange Nacht mir mir zu teil´n
und hier im Gras an Land verweil´n.
Es ist schon spät und ich verfall´ ins Träumen
und schlafe ein voll Kummer unter Bäumen
dich nicht zu spüren
und zu berühren
mit der Hand ganz sacht - drum gute Nacht.
mit der Hand ganz sacht - drum gute Nacht.

 

Flachs - wach´s und blühe (Lan - rosć a kwiś)

Nun gut - dem einen wird das folgende Lied möglicherweise anzüglich erscheinen, den anderen vielleicht sogar moralisch überfordern. Ich habe aber bereits erwähnt, dass ich mir die Sagen, Legenden und Bräuche nicht ausdenke. Sie sind gut recherchiert und ich gebe dazu auch die Quelle an. Hier ist es wieder Willibald von Schulenburg mit seinem Buch "Wendisches Volksthum in Sage und Sitte" Berlin Nicolei 1882. Auf Seite 141 wird man folgende Bemerkungen von ihm finden: "Wenn ein Mädchen den Flachs fertig gewietet hat, so soll sie nackend dreimal um den Acker herumrennen und rufen: Flasken, Flaske, Druse, wachs bis an die Fuse, bis an meine Titten , dann bliw sitten". Dies sollte dazu führen, dass der Flachs oder Lein kräftig und hoch wüchse. Es scheint sich demnach eher um Faserlein, denn um Öllein gehandelt haben. Die Erklärung zum Begriff Fuse erfolgt durch ihn in ziemlich deutlichen Worten für die weibliche Scham und im niederwendischen wird sie puća genannt. In den weiteren Erläuterungen ist zu lesen: " Soll in dieser Gegend von nackenden Mädchen,  wenn keine Männer zugegen waren, noch bis vor fünf und zwanzig Jahren gemacht worden sein."

Ich habe daraus ein Lied gemacht und natürlich meine künstlerische Freiheit walten lassen. Solche Geschichten hat es aber offensichtlich nicht nur im Spreewald gegeben. Aus anderen deutschen Landen gibt es ähnliche Lieder und Balladen z.B. "Es wollt ein Mägdlein früh aufstehn..."

Danke an meine Frau für die Aufnahmen, Dank an Hanne für die Geduld als Model bei den Aufnahmen und Dank an Biobauer Hugo Melde aus dem Spreewald für die Genehmigung in seinem Leinenfeld Aufnahmen machen zu dürfen

(siehe auch unter der Rubrik Fotos).

 

 

 Flachs-wachs´und blühe

(Musik: trad. / Text: Folkskammer)

 

Ein Mädchen früh im Morgengrau´n,
stand an des Feldes Rand,
es war wohl sehr schön anzuschau´n ,
löst singend ihr Gewand.
Sie tat´s nach alter Sitt´ und Art,
der Flachs dann besser reift,
wenn ein Mädchen, wenn ein Mädchen,
       wenn ein Mädchen nackt das Feld durchstreift.    

                        
Flachs oh Flachs du Feiner,
wachs´ bis zur puća meiner,
wachs´ bis zu meiner Brust –
das bringt mir höchste Lust.

Dann lief sie durch das weite Feld
Es kitzelten am Bein
die zarten Triebe aufgestellt,
des jungen frischen Lein.
Der Flachs jedoch sich höher wog,
bis an der Beine End´ -
und ein Schauer, und ein Schauer,
und ein Schauer zog hoch in ihre Lend´.

 

Flachs oh Flachs du Feiner,
wachs´ bis zur puća meiner,
wachs´ bis zu meiner Brust –
das bringt mir höchste Lust.

Ein Bursch sah dies vom Feldrain aus
war auch wie sie entzückt.
Stieß atemlos ´nen Seufzer aus,
so sehr war er beglückt.
Das Mädchen lies sich fallen nun,
als sie den Bursch gewahr.
Noch recht schamvoll, noch recht schamvoll,
noch recht schamvoll - doch wurden Sie ein Paar.

 

Flachs oh Flachs du Feiner,
wachs´ bis zur puća meiner,
wachs´ bis zu meiner Brust –
das bringt mir höchste Lust.

Und nach Dreivierteljahr im März,
ein Kindlein ward gebor´n.
So hat sie Unschuld und das Herz
im Leinenfeld verlor´n.
Sie tat´s nach alter Sitt´ und Art,
der Flachs dann besser reift,
wenn ein Mädchen, wenn ein Mädchen
wenn ein Mädchen nackt das Feld durchstreift

Flachs oh Flachs du Feiner,
wachs´ bis zur puća meiner,
wachs´ bis zu meiner Brust –
das bringt mir höchste Lust.

 

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